Franziska Haslinger, 1986
Verleihung der August-Gaul-Plakette,
Claus Kaminsky, Oberbürgermeister der Stadt Hanau,
Preisträgerin Franziska Haslinger, 2021
Landrat Karl Eyerkaufer, Vorsitzende der Kulturpreis-Jury Heidi Bär,
Preisträgerin Franziska
Haslinger, 2002
Es ist einmalig in der 25-jährigen Geschichte des Kulturpreises, dass aus einer Familie drei
Kulturpreisträger hervorgegangen sind, beginnt Landrat Karl Eyerkaufer seine Laudatio auf Franziska
Haslinger im November 2002. Ihr Vater, Alexander Harder-Khasán, war der erste Preisträger 1977 und ihre
Mutter, Alexandra Harder, bekam 1995 für ihr Lebenswerk den Kulturpreis. Tochter Franziska Haslinger wird
1936 in Berlin geboren, nachdem das Künstlerpaar eine politische Odyssee von Russland über Kanada und die
USA hinter sich gebracht hat. Die folgenden Jahre sind geprägt von erneuter politischer Repression und dem
zweiten Weltkrieg. Die Mutter übersteht den Krieg mit der kleinen Franziska in Berlin und Wernigerode. Die
Familie findet sich im niedersächsischen Osterlinde wieder und übersiedelt 1949 nach Hanau.
Franziska Haslinger verbringt ihre Schulzeit in der Grimm-Stadt, macht Abitur und geht 1956 nach Wien, um an
der Akademie für bildende Künste zu studieren. Sie absolviert die Meisterklasse von Professor Sergius
Pauser, die in den wilden 50er Jahren "wie eine Insel intensiver Arbeit gewirkt haben muss, von der die
frühen Beispiele mit dem Erproben formaler Möglichkeiten zeugen", schildert Professor Dr. Heribert Hutter
die damalige Situation und er folgert: "Franziska Haslinger nimmt die Geometrie wörtlich. Das soll auch
heissen: dreidimensional. Die Ästhetik strenger Zahlenverhältnisse wird greifbar. Doch vermeidet sie
erfolgreich die Sterilität der "reinen" Mathematik durch Verschränkungen sowohl in der Fläche als auch im
Raum. So wird aus einfachen Grundmotiven ein spannungsreiches Feld formaler Möglichkeiten erforscht. Ihre
Arbeiten sind in sich geschlossene (graphisch bestimmte) Signale."
Die Künstlerin selbst bekennt: "Licht und Raum faszinieren mich von jeher. Die Farbe bedeutet für mich ein
spezifisches Aroma des beispielhaften Versuches."
Franziska Haslinger schliesst die Hochschule 1959 ab, setzt ihre Ausbildung jedoch fort an der Graphischen
Lehr- und Versuchsanstalt Wien, die sie 1960 mit Diplom verlässt. In Wien lernt sie auch ihren Mann kennen.
Von 1960 bis 1965 arbeitet sie als Grafikerin in Österreich und Deutschland. Nach der Geburt von Sohn Gregor
wird sie zur freischaffenden Künstlerin. In den 1970er Jahren baut die Familie in der Hanauer
Gottfried-Keller-Strasse ein Haus mit einem grossen, lichtdurchfluteten Atelier. Die Räume sind vom
Bauhaus-Stil und der klassischen Moderne geprägt und bieten das passende Ambiente zum Konstruktivismus und
Minimalismus von Haslingers Arbeiten. Betrachter und Kritiker bewundern immer wieder, mit welcher
Hartnäckigkeit sie sich ihrer künsterlischen Aufgabe stellt, die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung
sowie die grosse handwerkliche Qualität.
Ilse Werder schreibt: "Ihre Bildzeichen verändern den Raum, verändern die Wahrnehmung des Betrachters,
lassen keine schnellen Aha-Erlebnisse zu. Es ist eine ernste Kunst, mit der Franziska Haslinger den
Betrachter konfrontiert, sie fordert ihn, sie gibt aber auch verblüffende neue Seherlebnisse."
Ihr hoher Anspruch an sich selbst korrespondiert mit langen künstlerischen Reifungsprozessen und einer
ausserordentlichen Bescheidenheit. So ist zu erkären, dass sie, abgesehen von einzelnen Beiträgen bei
"Simplicius", erst ab 1985 mit Einzelausstellungen in Erscheinung tritt: Studio Berggemeinde Frankfurt, 1988
Galerie L9 Oberursel. 1990 macht sie Furore mit der von ihr initiierten Ausstellung "Wien-Hanau-Zürich" im
Museum Schloss Philippsruhe, wo sie sich gemeinsam mit zwei ehemaligen Wiener Kommilitonen (Jürgen Messensee
und Brigitta Malche) der Öffentlichkeit stellt. 1991 folgt eine Ausstellung im Kunstverein Friedberg und
1993 im Dominikanerkloster Frankfurt/ Main.
Auf Frankfurt und Wien folgen 2000-2001 die vielbeachtete Schau "Spatium" in der Hanauer Galerie König und
ab Februar 2003 zu Ehren der Kulturpreisverleihung eine Retrospektive mit dem Titel "Auf den Punkt
gebracht", ebenfalls bei König.
Franziska Haslinger zeichnet zusätzlich ihr pädagogisches Engagement aus. Annähernd 250 kunstinteressierte
junge Leute haben in den vergangenen 16 Jahren regelmässig ihr Atelier besucht, um dort sehen, zeichnen und
malen zu lernen. Unter der Prämisse: "Vor der Kunst steht das Handwerk" erwerben die Schülerinnen und
Schüler die Fähigkeit zum gegenständlichen Zeichen und Malen in den medientypischen und experimentellen
Techniken...und immer wieder und vor allem: visuelles Erkennen!
Mittlerweile hat das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst ihre Einrichtung anerkannt und
unzählige ihrer Elevinnen und Eleven haben sich erfolgreich mit der bei ihr erarbeiteten Kunstmappe an Hoch-
und Fachschulen bewerben können.
In Gesprächskreisen, wie dem des ehemaligen Kulturdezernenten Klaus Remer, sowie in Diskussionsangeboten im
eigenen Atelier hat sich Franziska Haslinger ausserdem immer als streitbare Verfechterin und profunde
Kennerin moderner Kunst erwiesen und dazu beigetragen, dass sich in einer Stadt, "in der gegenstandslose
Kunst noch gern als Scharlatanerie beargwöhnt wird", manches bewegt hat.
Zitiert aus dem Vorwort zum Austellungskatalog 2003
Franziska Haslinger ist Mitglied einer Hanauer Künstlerfamilie. Ihre Eltern waren Alexandra Harder und
Alexander Harder-Khasán. Von früher Kindneit war sie von Kunst umgeben. Ihre Ausbildung absolvierte sie in
Wien. Von 1956 bis 1959 studierte sie an der Akademie für bildende Kunst in Wien, und von 1959 bis 1960 an
der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt auch in Wien. Anfangs arbeitete sie als Graphikerin in Österreich.
Seit 1964 ist sie freischaffende Künstlerin in Hanau.
Innerhalb der Hanauer Künstlerszene füllt Franziska Haslinger ein besondere Position aus. Als einzige
Künstlerin in Hanau widmet sie sich konsequent der Konkreten Kunst. Im Bereich dieser Kunstform spielt sie
viele Varianten durch und lotet die Möglichkeiten der abstrakten Kunst aus, wobei ihre Ausdrucksformen enorm
vielfältig sind. Gestalterische Elemente ihrer Kunst sind Fläche, Linie, Farbe, Raum und Licht, also auch
die Grundkonstanten aller Bildnerei insgesamt. Von dem Abbildcharakter abstrahierend werden diese Elemente
immer neu zusammengefügt und zu einer neuen Einheit verbunden.
Ab 1980 orientiert sie sich an der Diagonale als dominantes gestalterisches Element. Im Bereich der
Tafelbilder trägt sie monochrome Fläche auf dünnen Nessel, wobei die Naht der Stoffe auch als graphisches
Element wirkt. Sie entwickelt die Grundkonstante der Diagonale weiter zu schwarzen Wandreliefs. Dabei spielt
das Licht und der Schatten eine wesentliche Rolle, da sie zu dem auf der Diagonalen metrisch aufbauenden
Raumgerüst des Wandreliefs die variable graphische Struktur der Schatten ergeben, auch als luftigere den
Grauwerten zuneigenden Formen, die aber wiederum beweglich sind und sich mit dem Stand des Betrachters
verändern.
Die Raumreliefs erweitert sie auch in ,"objects trouves", in die Fundstücke wie Bretter und Obstkisten mit
eingebaut werden, aber immer noch massstäblich auf die Diagonale aufbauend.
Ab 1990 reduziert sie die Wandreliefs und die Nesselgemälde auf eine Farbigkeit, auf Weis. Herausragend für
diese Phase ist das grosse Wandrelief für den Neubau des Ordnungsamtes in Hanau. Hier ist das Element des
Meditativen sehr stark verankert, es entsteht eine Kunst der Stille. Beim Schauen auf das grosse Wandrelief
ist man auf die gegenüberliegende Freitreppe verwiesen. Damit entsteht auch wieder - und zwar
notwendigerweise - die Bewegung des Betrachters als Körper verbunden mit den Veränderungen des rein weissen
Objektes durch die Schattenwirkungen. In dieser Arbeit ist Franziska Haslinger eine optimale Verbindung von
Skulptur und Architektur und meditativer Bewegung gelungen, die ihre Wirkung gerade aus der radikalen
Reduktion von Form und Farbe schöpft.
Auch im Tafelbild konzentriert Franziska Haslinger ihre Kunst auf eine kontemplative Malerei: auf dünnem
Nessel trägt sie beidseitig von vorn und von hinten weisse Farbe auf. Daraus ergeben sich im Tafelbild
optische Wirkungen von verschiedenen Helligkeiten, von Schatten aufgrund der durchscheinenden Diaphanie. In
diesen konzentrierten Formen von metrischer Ruhe und leichter Bewegung
erreicht Franziska Haslinger eine besondere Dichte des künstlerischen Ausdrucks, der gerade in dem
verdoppelten diaphanen Element auch an die Konstruktionsprinzipien einer gotischen Kafhedrale erinnert.
In den späten 90er Jahren und im neuen Jahrtausend schafft Franziska Haslinger wieder mit Farbe. Im Bereich
der Tafelgemälde verwendet sie auf Spanplatte aufgeklebtes Seidenpapier, das sie monochrom fasst. Durch das
Papier entsteht aber eine bewegte Oberfläche mit verschiedenen optischen Reizen. Die Platten werden metrisch
beschnitten und so an der Wand arrangiert, dass sie eine harmonische Balance finden. Die labil
ausponderierten Platten schwingen an der Wand, wobei dieses Phänomen noch durch die bewegten
Oberflächenreize der Farbigkeit unterstrichen wird.
In ihren letzten Arbeiten entsteht eine Symbiose der stark strukturierten Reliefs der Achtziger mit den
kontemplativen Bildern der Neunziger. Sie schafft Wandreliefs und Faltbilder in klaren und deutlichen
Farbflächen, die wieder aus der räumlichen Struktur und dem Licht atmen und wirken.
Franziska Haslinger schafft in grosser künstlerischer Bravour eine konsequente, aber auch vitale Auseinandersetzung mit unseren Sehgewohnheiten, die Geist und Phantasie auf subtile Weise aufregt und anregt. Gerade die Konsequenz und die Variabilität ihres künstlerischen Ansatzes lässt auch für die Zukunft auf immer wieder neue und spannende Lösungen hoffen.
Anton Merk
März 2003